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  • AutorenbildChristian Fadi El-Khouri

Die §§ 299a und b StGB im Kontext Patientenvermittlung und Medizintourismus

Aktualisiert: 2. Apr.




Neben den Rechtsfolgen des Urteils von Kiels (8 O 28/11) (lesen Sie auch meinen Beitrag dazu) sind die Straftatbestände §§ 299a und 299b StGB aktueller und vielleicht sogar relevanter für die bekannten Konstellationen in der Behandlung internationaler Patienten (auch: Patientenvermittlung). Die „neu“ erlassenen Normen sollen einer Wettbewerbsbeeinträchtigung und Verteuerung der medizinischen Leistungen im Gesundheitswesen entgegenwirken. Darüber hinaus sollen sie das Vertrauen der Patienten in die Integrität des Gesundheitssystems wahren.[1]

Eine bedeutende Rolle spielte wohl auch der Skandal rund um das Unternehmen Ratiopharm, der wohl bekannteste Fall des sogenannten „Bestechungsmarketings“ durch einen Pharmakonzern.[2] Vertreter des Unternehmens hatten Ärzten für die Verschreibung von Ratiopharm Medikamenten an ihre Patienten Geld gezahlt.[3] Die These, nach der niedergelassene Ärzte gesetzliche Vertreter der Krankenkasse und somit Beauftragte i.S.d. § 299 StGB seien, stieß im Schrifttum überwiegend auf Ablehnung.[4] Die neuen Normen sollen etwaige Vorkommnisse abdecken.

Folgend soll ergründet werden inwieweit sie für die relevanten Konstellationen des Medizintourismus relevant sind.



Täterkreis der §§ 299a und b StGB im Medizintourismus


In den Täterkreis des § 299a StGB fallen ausschließlich angehörige eines Heilberufs.[5] In den Täterkreis des § 299b StGB kann grundsätzlich jedermann fallen, doch muss dieser im Zusammenhang mit der Berufsausübung des Heilberufsangehörigen handeln.[6] Über Bedeutung und Reichweite des Merkmals herrscht keine Einigkeit im Schrifttum.[7] Es gibt jedoch die Ansicht, dass das Tatbestandsmerkmal „Zusammenhang mit der Berufsausübung“ zu verneinen ist, wenn der Täter nicht seiner Täterkreisqualifizierung entsprechend, sondern zum Beispiel in kaufmännischer Weise handelt.[8] Somit sind die §§ 299a und 299b StGB nur dann einschlägig, wenn für die Vermittlungsagentur ein Arzt tätig ist.[9] Das grenzt den Anwendungsbereich zwar ein, da es sich in Deutschland bei den Vermittlungsagenturen nahezu nie um Ärzte handelt. Da es hier aber nicht auf den Tätigkeitsort oder die Erwerbsstätte der Qualifikation ankommt, fallen auch ausländische Ärzte, die Patienten aus dem Ausland an ein Deutsches Krankenhaus vermitteln, unter den Täterkreis.[10] Diese Konstellation liegt näher an den tatsächlichen Ereignissen auf dem Markt. Zum Beispiel werden Patienten aus Afrika, häufig über Ärzte vor Ort, entgeltlich an deutsche Krankenhäuser vermittelt.

Patientenvermittlung als Tathandlung der §§ 299a und b StGB


Die Tathandlungen umfassen das Fordern, Sichversprechenlassen und Annehmen eines Vorteils und im Falle des § 299 b StGB das Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines Vorteils, der in einem Zusammenhang mit der Berufsausübung des Heilberufsangehörigen steht. Relevant für unsere Betrachtung ist hier das Zuführen von Patienten.

Der Begriff des Zuführens ist in Anlehnung an den bereits bekannten Begriff der Zuweisung aus § 73 VII SGB V und § 31 MBO-Ä zu verstehen. Es soll vermieden werden, dass Patienten aus sachwidrigen, nicht allein medizinischen, stattdessen aus wirtschaftlichen Gründen zu bestimmten Leistungserbringern oder medizinischen Einrichtungen gelenkt werden.[11] So ist die Arbeitsweise der Agentur von entscheidender Bedeutung. Arbeitet die Agentur mit nur einem Krankenhaus zusammen, ist ein zielgerichtetes Steuern der Patienten zum Kooperationspartner anzunehmen, wenn nicht sogar evident.[12] Hier muss, meines Erachtens, aber differenziert werden. Oftmals wissen die Patienten, dass die Agentur mit nur einer Klinik kooperiert. Hier kann davon ausgegangen werden, dass der Patient selbst die Auswahl trifft da er gezielt diese Klinik aufsuchen will, aufgrund logistischer Vorteile aber den Weg über die Agentur wählt.

Ein weiterer Fall, der eine Differenzierung erfordert, sind Marketinggemeinschaften. So treten die Agenturen oftmals als Dienstleister in der Vermarktung des Krankenhauses auf. Um Interessenkonflikte zu vermeiden wird stets nur ein Krankenhaus der gewählten Fachrichtung beworben. Dies geschieht i.d.R. mit Werbematerial der Klinik, dass nur durch Material der Agentur begleitet wird. Auch hier ist dem Patienten ersichtlich, in welchem Krankenhaus die Anmeldung erfolgen wird. Zwar sind die Fälle der professionellen Vermarktung durch eine Vermittlungsagentur selten, dennoch stellen sie m.E. eine Ausnahme von dem Tatbestand der Zuführung von Patienten dar. Zur prozessualen Gestaltung solcher Kooperationen werde ich mich in einem weiteren Beitrag näher äußern.

Eindeutiger ist die Zuführung von Patienten dann abzulehnen, wenn die Vermittlungsagentur mit mehreren Einrichtungen kooperiert und diese dem Patienten zur Auswahl darbietet. Hier ist die Zuführung lediglich nur dann zu bejahen, wenn in der bloßen Empfehlung ein zielgerichtetes Steuern des Patienten zu sehen ist.[13] Auch wenn ausländische Patienten keinen barrierefreien Zugang zum deutschen Gesundheitssystem haben, treffen Sie in den Fällen einer Empfehlung oder Auswahl eine Entscheidung. Auch bei der Empfehlung obliegt es ihnen eine weitere Meinung, auch von derselben Agentur, einzuholen. Auch und gerade hier muss genau auf die Arbeitsweise der Agentur geschaut werden. Sollte diese andere medizinische Dienstleister nur zum Schein empfehlen, wird wohl eine Zuführung anzunehmen sein.


Das Tatbestandsmerkmal der Unrechtsvereinbarung liegt dann vor, wenn die Gegenleistung für den Vorteil eine unlautere zukünftige Bevorzugung im Wettbewerb ist und heilberufliche Entscheidungen zum Gegenstand hat.[14]

Wenn nun keine Zuführung nach oben geschilderten Gesichtspunkten vorliegt, kann es sich, auch im Fall der Kooperation mit mehreren Kliniken, dennoch um eine Bevorzugung im Sinne der Unrechtsvereinbarung handeln.[15]

Das halte ich für problematisch, da der Vermittlungsagentur eine gewissenhafte Auswahl nach Kompetenz und Eignung der Kliniken so nicht mehr möglich ist. Wenn der einzige Weg zur Vermeidung des Bevorzugungsbegriffs die Vermittlung der Patienten an alle, am internationalen Markt teilnehmenden, Kliniken bedeutet, ist den Patienten damit nicht geholfen. Zunächst einmal nimmt jede deutsche Klinik am internationalen Markt teil. Ich habe es noch nicht erlebt, dass eine Klinik die Anmeldung eines ausländischen Patienten ablehnt, auch wenn sie nicht für die Behandlung von ihnen geeignet sind. Darüber hinaus können Vermittlungsagenturen, die im Interesse der Patienten handeln wollen, nicht mehr problemlos Partner empfehlen, die sich im guten Umgang mit den Patienten bewährt haben.

Die Unlauterkeit besteht dem Verständnis nach auch in den Fällen des Medizintourismus, wenn die Vermittlungsagentur ihre Vergütung lediglich für die Zuführung des Patienten erhält. In der Praxis würde dieses Tatbestandsmerkmal dann vorliegen, wenn eine Agentur lediglich die Anmeldung des Patienten vornimmt. Nur wenn die Agentur auch für andere Dienstleistungen, wie zum Beispiel Übersetzungen, Visa Beschaffung und die Bereitstellung von Dolmetschern eine Vergütung erhält, liegt keine unlautere Zuführung vor.[16]

Zusammenfassend heißt das, dass sich Angestellte oder anderweitig Beauftragte eines Patientenbetreuungsunternehmens mit der Annahme einer Vermittlungsgebühr der Korruption im Geschäftsverkehr (§ 299 I Nr. 1 StGB – nicht § 299a, oder 299b StGB) strafbar machen. Wohlgemerkt haben viele der Patientenbetreuungsunternehmen keine Angestellten, da es sich um Einzelpersonen handelt.

Ebenso würden sich Angestellte oder Beauftragte des medizinischen Dienstleisters mit Gewährung einer solchen Zahlung gem. § 299 II Nr. 1 StGB strafbar machen. Doch auch in diesem Fall wird die Strafbarkeit an der häufigen Erscheinungsform der Akteure im Markt (Einzelperson statt z.B. GmbH) scheitern.

Aus Perspektive des Marktes ist diese Auslegung nicht wünschenswert. So wird es praktisch belohnt, dass oftmals weniger strukturierte Akteure (Einzelpersonen, oft ohne kaufmännische Grundkenntnisse) einer Strafbarkeit für unlauteres Handeln eher entgehen können, als Beteiligte eines Unternehmens, welche nicht zuletzt aus Gläubigerschutzgründen im Geschäftsfeld für Patienten und Krankenhäuser ein besserer Partner sind.

Fazit: Bedeutung der Straftatbestände für den Medizintourismus

Die Tatbestände der §§ 299a und 299b StGB haben für viele Bereiche unseres Gesundheitssystems eine erhebliche Tragweite. In Anwendung auf den Medizintourismus trifft dies ebenso zu. Allerdings werden relevante Anwendungsbereiche außer Acht gelassen, dafür aber Fälle einbezogen, die weder von treuwidrigen Intentionen getragen sind noch Nachteil für die Patienten oder andere Beteiligte bedeuten. Unsicherheit schadet jedem Markt und Rechtsunsicherheit ist keine Ausnahme davon. Von mehr als einer Quelle wurde mir bereits zugetragen, dass Patientenagenturen ausländische Patienten in die Schweiz, statt wie früher nach Bayern, zur Behandlung schicken, da die Rechtslage dort entspannter und für ihre Fälle eindeutiger ist.

Krankenhäuser und Patientenbetreuungsunternehmen sollten auch aus Gründen der Prävention durchdachte Prozesse intern und in der Zusammenarbeit miteinander etablieren. Bei der Auswahl der Partner sollte nicht nur auf die Rechtsform, sondern auch auf Merkmale wie Auftreten, kaufmännisches Gebaren und den Umgang mit den Patienten geachtet werden. Darüber hinaus sollten Kooperationen gründlich dokumentiert und die Abläufe protokolliert werden. Das gilt sowohl für die Krankenhäuser als auch Betreuungsunternehmen. Unlautere Geschäftspraktiken werden oftmals nur auf Seite der Patientenagenturen vermutet, schaut man sich einschlägige Fälle genau an wird jedoch deutlich, dass diese Geschäftspraktiken ohne Kooperation, zumindest vereinzelter Angestellter der Krankenhäuser, nicht möglich gewesen werden.

Die angemessene Vertragsgestaltung ist ein wichtiger Baustein, um eine rechtssichere und nicht zuletzt auch wirtschaftlich sinnvolle Zusammenarbeit zu garantieren.

Darüber hinaus müssen auf Seite des Krankenhauses Prozesse implementiert werden, die als Failsave agieren, sollte es sich bei Kooperationspartnern um intransparente Marktteilnehmer handeln. Wenn nicht sogar rechtlich, kommt Krankenhäusern m.E. zumindest moralisch eine Verpflichtung zu, das Wohl der Patienten, auch über die medizinischen Ansprüche hinaus, zu wahren.


[1]WD 7 - 3000 - 038/17, S. 7 [2] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ratiopharm-bestechung-als-system-1.91276. [3] https://www.abendblatt.de/hamburg/polizeimeldungen/article107893314/Bestechung-Arzt-nahm-sieben- Schecks-von-Ratiopharm.html. [4] Dannecker/Schröder, Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch Rn. 2.; BGH GSSt 2/11. [5] Dannecker/Schröder, Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch Rn. 92. [6] Dannecker/Schröder, Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch Rn. 18. [7] Schneider/Seifert, Medizintourismus nach Deutschland - Korruptionsrisiko, medstra 5/2019. [8] Eisele in Schönke/Schröder § 299a Rn. 10. [9] Schneider/Seifert, Medizintourismus nach Deutschland - Korruptionsrisiko, medstra 5/2019. [10] Dannecker/Schröder, Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch Rn. 199. [11] Heger in Lackner/Kühl, StGB § 299a Rn. 4. [12] Schneider/Seifert, Medizintourismus nach Deutschland - Korruptionsrisiko, medstra 5/2019. [13] Schneider/Seifert, Medizintourismus nach Deutschland - Korruptionsrisiko, medstra 5/2019.; BT-Drucks. 18/6446. [14] Dannecker/Schröder, Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch Rn. 131. [15] Schneider/Seifert, Medizintourismus nach Deutschland - Korruptionsrisiko, medstra 5/2019. [16] Schneider/Seifert, Medizintourismus nach Deutschland - Korruptionsrisiko, medstra 5/2019.

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